Album-Kritik: Garbage – ‚Lass Alles, Was Wir Uns Vorstellen, Zum Licht Werden‘

Garbage braucht keine Vorstellung. Aber sie kriegt trotzdem eine. Seit 1995 hat die Band über 20 Millionen Alben verkauft und mit Songs wie „Stupid Girl“ und „I Think I’m Paranoid“ große Aufmerksamkeit erlangt. Ihr Sound vereint die sanfteren Seiten von Punk und Rock in Radiotauglichen Popmelodien. Ihre frühe Musik, etwa „I’m Only Happy When It Rains“, spiegelte die nihilistischen Stimmungen der Popkultur zum Jahrhundertende wider. Heute erkennt Garbage unser Bedürfnis nach Optimismus und Technologieabhängigkeit – sie singen über Hoffnung, während sie sich auf Technik verlassen.

Ein roter Faden zieht sich durchs Album. Die industriellen Klänge der Band reflektieren unsere Faszination für das Unmenschliche und Metallische. Shirley Mansons Stimme steht für Optimismus. Ihre langjährigen Bandkollegen Duke Erikson, Steve Marker und Butch Vig spielen Verlassenheit. War Manson in den Neunzigern nur glücklich, wenn es regnete, will sie heute nichts weniger als einen Sturm um sich herum. Let All That We Imagine Be the Light beschwört Energie für Garbage’s Suche nach Trost in einer chaotischen Welt – einer Welt, die die Band in Gut gegen Böse und Liebe gegen Hass aufteilt.

1. There’s No Future In Optimism

Als Single veröffentlicht, begrüßt uns der hallende Opening-Lyric „If you’re ready for love/ If you’re ready for lo-o-ove“ warm in Garbage’s Filmsound. Verzerrte Gitarren klingen wie wilde Ausschläge auf einer Richter-Skala und unterstreichen die düsteren Orwell-Anklänge: Nacht voller Schrecken, marschierende Menschen, Polizei, Sirenen. Anders als in 1984 kann Liebe hier neue Zukünfte erschaffen. Die Botschaft, unterstützt vom AI-dominierten Musikvideo, lautet: Nimm jemanden an die Hand – und, wie in den Neunzigern, küss und flieh.

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2. Chinese Fire Horse

Hier kontert Manson Sexismus-Kritiker, die sie für zu alt halten – doch wirkt der Song eher wie eine Hommage an sich selbst. Geboren 1966, im Jahr des Feuerpferds (im chinesischen Kalender bekannt für muttermordende Frauen), betont sie: „I’m not done.“ Der Titel wirkt wie ein Diss-Track. Sarkastisch singt sie: „I should do the right thing by everybody/ And I should just retire“, begleitet von einem „womp womp“-Gitarrensound. Das soll „Auf keinen Fall!“ sagen, fällt aber flach. Der Song stolpert in klobigen Stiefeln – Empowerment für eine.

3. Hold

Ein Song auf der Flucht, verwand mit There’s No Future In Optimism. Industrieller Lärm mischt sich mit Verlangen: „Take down my hair/ untie my shoes/ undress me.“ Die Spannung zwischen Mensch und Maschine erinnert an unerfüllte Begierde.

4. Have We Met (The Void)

Hätte die Leere einen Soundtrack, wären es die Echos eines Moog-Synthesizers. Der Song erinnert an Madonnas Confessions on a Dance Floor, aber niemand kann sich so neu erfinden wie sie. Für Garbage ist die Leere kein leeres Vakuum – sie birgt unsere unsichtbaren Reflexionen.

5. Sisyphus

Mansons Stimme leuchtet wie eine einsame Figur in einem Feld voll Rost. Die industrielle Orchesterproduktion wabert durch Blech und Wind (begleitet von Mansons Flüstern). Das Album will Optimismus verströmen – doch der brachte Sisyphus nicht weit. Während der Beat zum Headbangen zwingt und Manson singt „This little body of mine is gonna make things right“, denk ich unweigerlich an Sisyphus’ Schicksal.

6. Radical

Der poetischste Track: „We need language for the small things“, „Grief is love turned inside out“. Man sieht die Band vor sich, wie sie den electro-grunge Sound ihrer Wurzeln spielt. Manson wiederholt den Albumtitel – ein kraftvolles Mantra über kontrollierter Wucht.

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7. Love to Give

In zynischen Zeiten setzt Garbage noch eine Nadel in Optimismus: „This is a cold, cold world“ – gefolgt von „love to give/ love to give“. Der Sound erinnert an 2000er Dancebeats, perfekt für die Tanzfläche (obwohl die Band ihn lieber auf Protesten hören will).

8. Get Out Of My Face AKA Bad Kitty

Endlich eine Hymne – und zwar für Erschöpfung als Widerstand: „Get out my face don’t mess with me/ We’re exhausted.“ Garbage hat „lange Listen“, während die Hater „Probleme“ haben. Die müde Gitarre und Mansons ausgelaugte Stimme („I wanna scream“) unterstreichen die Botschaft, ohne in Alt-Rock-Klischees zu verfallen.

9. R U Happy Now

Politisch, aber vage – so vage wie „Post-Wahlzeit“. Eröffnet mit „Everybody loves a winner“ (aus Cabaret). Klar, wen Manson mit „golden sneakers and alternative facts“ meint, doch Namen vermeidet sie. Der Chor ist Ohrwurm: „All is said/ All is done/ R U Happy?“

10. The Day That I Met God

Alien-Füße tippeln übers Mischpult. Manson flüstert elektro-sphärisch: „Face to face with God/ It was everyone I’ve ever loved.“ Ein Popalbum voller Gitarrenriffs und Klischees – doch genau das macht es großartig. Die Botschaft von Let All That We Imagine Be The Light erinnert an die relativ alten Politik von früheren Zeiten. Vielleicht sehnen wir uns nach eine einfache Nachricht, wie „Liebe heilt alle Wunden“ – eine Message, die Garbage stark unterstützt.