Deine Rollen schwanken zwischen ernst und witzig. Muss das eine das andere bedingen?
Ich hab schon immer gedacht, dass es eigentlich das Gleiche ist. Man versucht einfach, ehrlich zu sein – und wenn man ehrlich in absurden Situationen ist, dann ist das Comedy. Ich versuche nicht, lustig oder ernst zu wirken, nur echt. Wenn jemand einen Bösewicht spielt und man nichts in der Performance spürt, kein Mitgefühl oder Verständnis, dann ist das für mich ein Fail. Denn im echten Leben passiert bei ner Beerdigung auch immer jemand nen Witz. Es ist so schön, wenn man auf ner Beerdigung lachen kann. Das ist für mich das Leben: diese Grauzonen, die Widersprüche.
Ich bin baff von dieser Wendung mit „Mister Romantic“. Wie kamst du auf den Charakter? Warum hast du genau diese Lieder ausgewählt?
Vor Jahren hab ich „Chicago“ gemacht und „Mister Cellophane“ gespielt – das hat meine Liebe zum Musical neu entfacht. Besonders den Vaudeville-Stil: direkt, nah am Publikum, kein Distanz. Ich liebe es, so aufzutreten. Ich wollte diese Lieder singen, aber ich sah auch, wie hart und gespalten die Welt wurde. Also erschuf ich „Mister Romantic“. Er hat keine Vergangenheit, alles geschieht im Moment. Sein Ziel? Empathie und Verbindung schaffen, Liebe erkunden.
Wer waren deine größten Inspirationen für dieses Album?
Respekt an die echten Legenden: Harry Nilsson, Irving Berlin, Tom Waits, Nat King Cole. Ich bin nicht annähernd so gut wie sie, aber sie haben eins gemeinsam: Sie verliebten sich in Lieder und teilten sie mit der Welt. Ich sehe mich in dieser Tradition. Ein Song darf nicht in Bernstein eingeschlossen sein – er muss leben. Klar, es ist gewagt, diese Stücke neu zu interpretieren, nachdem sie schon so perfekt gesungen wurden. Aber das Leben ist zum Leben da, und wir müssen diese Dinge erneuern, wenn sie uns wichtig sind.
Könnte „Mister Romantic“ ein Tom-Waits-Coveralbum machen, wie Scarlett Johansson?
Ich bewundere Scarlett dafür. „Mister Romantic“ könnte Waits covern, aber wahrscheinlicher wäre, dass ich es mache. Ich nenne Tom „Heiliger Tom“ – er prägte mich nicht nur musikalisch, sondern auch als Performer: seine Ethik, sein Auftreten. Mit 18 entdeckte ich ihn, und er veränderte mein Leben. Ich liebe, wie er Charaktere interpretiert.
Ich traf ihn ein paar Mal. Einmal, als er für einen Film probte, fragte er: „Kannst du mir nen Schauspiellehrer vermitteln?“ Ich dachte: Tom, du bist einer der größten Geschichtenerzähler – was soll dir jemand beibringen? Aber ich vermittelte ihn mit Patrick Murphy, meinem ersten Lehrer. Sie trafen sich in Sacramento, gingen in den Zoo, redeten über Charaktere und schauten Tiere an.
Du hast Oliver Hardys Zerbrechlichkeit in „Stan & Ollie“ perfekt getroffen. Wie hast du dich vorbereitet? Welche Hardy-Performance ist dein Favorit?
Ich mag „Brats“ am meisten – es prägte meinen Sinn für Absurdität. Irgendwie hab ich mich mein ganzes Leben auf diese Rolle vorbereitet, indem ich die Filme als Kind rauf und runter sah. Hardy war eine lebenslange Inspiration, einer der größten Clowns. Das Tragische? Er war ein toller Sänger, ein Tenor – aber es gibt kaum Aufnahmen davon, nur ein paar in Filmen. Das find ich schade. Wenn Leute meine Stimme mögen, will ich, dass sie mich hören können.
Welches Kompliment lässt dich immer noch lächeln?
Jemand sagte mal, ich hätte einen schönen Hintern. Ich trug Chaps, die betonen das Gesäß ja wunderbar. Eigentlich tu ich mich schwer mit Komplimenten. Ich lebe nicht in narzisstischer Bewunderung, sondern denke oft, ich könnte besser sein. Aber das hält einen Künstler demütig.
Wie ist es, in einem Film zu sein, der einfach nicht funktioniert?
Jeder Film ist wie ein Gebet – ein Wunder, wenn er ankommt. Selbst perfekte Kunst kann floppen, wenn die Zeit nicht reif ist. Ich versuche, mich nicht von Erfolg oder Misserfolg abhängig zu machen. Wenn du stolz auf deine Arbeit bist, ist das Erfolg. Früher hat mich das mehr mitgenommen, aber ich lernte: Manches scheitert oder siegt unerwartet. Am Ende zählt nur deine eigene Erfahrung. Die Bewertungen von gestern sind nur Wiederholungen.
Ich bin überzeugt, dass Dr. Steve Brule [die parodistische Figur von Reilly zwischen 2007 und 2016] eine der außergewöhnlichsten Charaktere überhaupt ist. Niemand konnte diese Rolle so lebendig machen wie du. Meine Frage – hast du wirklich das Wasser aus dem Hafen getrunken? War das deine Idee? papalzalewd
Steve hat definitiv Hafenwasser getrunken. Ich war Produzent der Show, also kann ich nicht für Steves Erlebnisse sprechen. Du müsstest ihn selbst fragen, aber ich würde nicht alles glauben, was er als Arzt sagt. Ich weiß nicht mal, was für ein Arzt er ist. Jemand hat mir mal erzählt, dass seine Mutter ihn tatsächlich „Dr. Steve Brule“ genannt hat – dass sein zweiter Name Steve ist und er kein richtiger Arzt. Ich bin stolz, Teil dieser Show gewesen zu sein, und freue mich, dass die Leute sie lieben. Ich liebe sie genauso sehr.
Gehörte „Magnolia“ [Paul Thomas Andersens Drama von 1999] einfach zu einer besonderen Zeit? Kann ein Film in diesem Stil nochmal entstehen? Warum sind die meisten Filme so vorhersehbar, ohne Überraschungen oder Spontanität? julian6
„Einfach weitermachen, egal was passiert“… mit Melora Walters in „Magnolia“ (1999). Foto: Getty Images
Ich stimme der Grundaussage nicht zu. Man hätte dasselbe über „Badlands“ sagen können: Niemand macht heute noch solche Filme. Aber genau das ist die Aufgabe des Künstlers – weiterzumachen, egal was erlaubt scheint. Genau das hat Paul Thomas Anderson mit „Magnolia“ gemacht. Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen, weil er privat ist, aber fast alles im Film hat eine persönliche Verbindung zu ihm. Dinge kommen in Wellen: Kapitalismus und der Markt gewinnen oft die Oberhand, aber dann sehnt sich die Menschheit wieder nach ehrlichen Geschichten in der Kunst. Lass dich nicht von der aktuellen Lage entmutigen.
In den letzten Jahren, besonders mit dem Zustand der Filmindustrie, hatte ich oft ähnliche Gedanken wie dieser Leser. Vor ein paar Jahren war ich in Cannes und dachte: „Das war’s, die Streamer haben gewonnen, das Kino ist tot.“ Doch dann siehst du Filme aus der Mongolei oder dem Sudan und merkst: Nein, es lebt noch. Diese Kunstform wird nie sterben, weil sie funktioniert. Man muss sie nur suchen. Wenn du Angst hast, dass es nicht genug Filme gibt, die dir gefallen, dann unterstütze die, die es gibt. Denn das hält sie am Leben.
„What’s Not to Love?“ von Mister Romantic erscheint am 13. Juni auf Reillys Label Eternal Magic Recordings.