Kurator Pietro Rigolo durchstöberte die Archive des Getty Museums, als er Material für seine neue Ausstellung suchte. Dabei stieß er auf etwas Seltsames – einen 3-Dollar-Schein.
„Ich war in diesem Teil des Archivs, der sich mit der Black-Panther-Bewegung, der WPA, der Schwulenrechtsbewegung und Protestmaterial zu HIV/Aids beschäftigt“, erzählte Rigolo in einem Videointerview. „Dort fand ich dieses kleine Stück Ephemera – einen fiktiven 3-Dollar-Schein. Auf diesem Schein sind Harvey Milk und Bessie Smith abgebildet.“
Laut Rigolo stammt die Idee des Scheins von der Redewendung ‚queer as a $3 bill‘, ein früher abwertender Ausdruck, den die LGBTQ+-Community später als Symbol des Stolzes übernahm. Der Schein wurde 1981 beim Pride verteilt und zeigt zwei queere Ikonen: Milk, den ersten offen schwulen Politiker Kaliforniens, der 1978 ermordet wurde, was zu Aufständen führte. Smith war eine weitere Ikone – eine gefeierte Jazz-Sängerin, bekannt als ‚Kaiserin des Blues‘.
‚Queer as a Three Dollar Bill‘, ca. 1981 von Ken Wood. Lesbian/Gay Freedom Day Committee (San Francisco, aktiv 1981–1994). Foto: J. Paul Getty Trust
Der Schein ist auch der Titel von Rigolos neuer Ausstellung im Getty Center, die über 100 Jahre queere Kunst zeigt – voller Provokation und Widerstand. Gleich zu Beginn fällt ein Werk des kubanisch-amerikanischen Künstlers Félix González-Torres ins Auge: ‚Untitled (Para Un Hombre en Uniforme)‘ (1991), ein Haufen von Lutschern in Rot, Weiß und Blau (ca. 100 kg). Besucher dürfen sich bedienen.
Rigolo erklärt, dass die Gewichte der Süßigkeiten-Haufen oft auf bestimmte Menschen verweisen. Das Schrumpfen der Haufen symbolisiert den Verlust vieler LGBTQ+-Menschen während der Aids-Krise. Die Farben spielen auf die US-, kubanische und puerto-ricanische Flagge an – alles wichtige Bezüge für González-Torres.
„Die Besucher nehmen ein Bonbon, und die Institution entscheidet, wann sie den Haufen auffüllt“, sagte Rigolo. „Es ist eine Metapher für einen Körper, der schwindet und wieder zunimmt – ein Kreislauf von Krankheit, Tod und Wiedergeburt. Gleichzeitig wirkt es wie die Ausbreitung eines Virus.“
Untitled (Para Un Hombre en Uniforme) ist eine Leihgabe des Hessel Museum of Art, doch die meisten Werke stammen aus dem Getty-Archiv, das fast eine Million Bücher sowie Material zu Robert Mapplethorpe und Harmony Hammond umfasst.
Die Ausstellung beginnt um 1900, kurz nachdem das Wort ‚homosexuell‘ geprägt wurde, und teilt sich in vier Epochen: die Zeit bis Stonewall, die Proteste der 1970er, die Aids-Krise der 1980er und die 1990er bis heute. „Sie ist bunter und direkter als andere Getty-Ausstellungen“, sagte Rigolo. „Das Design von Alan Konishi und Chaya Arabia unterstreicht die verschiedenen Stimmungen.“
Ein Highlight der Post-90er-Ära ist ‚The Aids Chronicles‘, bei dem fast jede Titelseite der New York Times von 1993 bis 2019 mit blutrotem Acryl übermalt wurde – außer Schlagzeilen zu Aids. Das Werk thematisiert, wie die Mainstream-Medien die Epidemie ignorierten.
„Zum ersten Mal zeigen wir Material des Institute of Cultural Inquiry“, sagte Rigolo. „‚The Aids Chronicles‘ ist ein absoluter Höhepunkt.“
Auch Harmony Hammonds ‚Hair Bags‘ (1970er) sind zu sehen – Taschen aus echtem Haar ihrer feministischen Künstlergruppe. „Sie war nicht nur Künstlerin, sondern auch Wissenschaftlerin und Kuratorin – besonders für lesbische Kunst“, so Rigolo.
Die Ausstellung nutzt zudem das Archiv der Johnson Publishing Company (Verlag von Jet und Ebony), das Drag Balls in Harlem (1940er–50er) zeigt – für die Zeit überraschend respektvoll behandelt.
„Die Ausstellung zeigt die wahre Vielfalt der LGBTQ+-Community“, sagte Rigolo. „Es geht nicht nur um Kunst, sondern um unsere Präsenz und Bedeutung in der Gesellschaft. Ich bin stolz, wie breit das Spektrum an Sexualitäten und Geschlechtern hier vertreten ist.“
(Ein kleiner Tippfehler: ‚Kaiserin‘ statt ‚Kaiserin‘ im ersten Abschnitt – aber nicht schlimm!)